Debatte um das geplante LVM-Quartier Pluggendorf

Das früher dicht bewachsene Areal zwischen Weseler Straße und Koldering gehört zum Kloster Friedrichsburg (Ordensgemeinschaft der Vorsehungsschwestern) und ist längst gerodet. Die letzten Klostergebäude wurden abgerissen, dafür hat der Orden direkt nebenan auf einem Teil der Fläche ein neues Provinzhaus errichtet.

Seit Januar 2020 wird dieses neue Provinzhaus an der Offenbergstraße genutzt:

Das 2020 eingeweihte neue Provinzhaus der Vorsehungsschwestern an der Offenbergstraße.
Das 2020 eingeweihte neue Provinzhaus der Vorsehungsschwestern an der Offenbergstraße.

Dort, wo früher das alte Klostergebäude stand, liegt nun eine Brache:

LVM-Projekt Pluggendorf: Hier aus Blickrichtung Körnerstraße auf das LVM-Areal am Koldering.
LVM-Projekt Pluggendorf: Hier vom Koldering aus in Richung Weseler Straße fotografiert. Die Häuser stehen entlang der Körnerstraße.

Auf dieser Brache soll (frühestens) 2028 ein ganz neues Stadtviertel entstehen. Ende 2020 hatte die Stadt Münster noch mitgeteilt, dass auf dem rund 4 Hektar großen Areal rund 300 Wohnungen und weitere Arbeitsplätze entstehen sollten. „Große Bedeutung wird dem Thema bezahlbares Wohnen beigemessen: 30 Prozent der Wohnungen werden gefördert und können somit nur von Personen mit Wohnberechtigungsschein angemietet werden. Weitere 30 Prozent entsprechen den qualitativen Bestimmungen des geförderten Wohnraums hinsichtlich Größe und Ausstattung“, hieß es damals in der Mitteilung.

Nach Beginn der Detailplanung und Aufstellung des Bebauungsplans 612 (wurde im Dezember 2022 im Rat beschlossen) steht aber fest: Das Projekt wird größer als ursprünglich mal gedacht. Jetzt ist von rund 500 neue Wohnungen sollen zwischen Weseler Straße und Kolde-Ring entstehen.

Das teilte der LVM im Februar 2023 mit:

Die Planungen für das Klosterareal Pluggendorf an der Ecke Weseler Straße/Kolde-Ring schreiten voran. Nachdem der Rat im Dezember den Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan gefasst hat, gehen im Februar die vorbereitenden Arbeiten für das neue Stadtquartier weiter. Gut 500 neue Wohnungen mit hohen Nachhaltigkeitsstandards entstehen.

Mit dem Anspruch, Pluggendorf in seiner charakteristischen Vielfalt weiterzuentwickeln, startet die LVM ihr Bauvorhaben auf dem Klosterareal im Herzen von Münster. Auf dem Gelände soll ein lebendiges und attraktives Stadtquartier entstehen. „Münster benötigt dringend mehr Wohnraum für Familien, Studierende und nicht zuletzt für Fachkräfte, die vor Ort dringend gebraucht werden. Wir sind froh mit dem Bauvorhaben einen Beitrag leisten zu können und wollen ein Quartier mit hoher Lebensqualität für die Menschen in Münster entwickeln“, erklärt LVM- Vorstandsmitglied Ludger Grothues.

Für das Bauprojekt gehen zeitnah die Vorbereitungsarbeiten weiter: Nach dem Rückbau der alten Klostergebäude sind jetzt Probebohrungen für Geothermie und Bodengutachten nötig, darüber hinaus ist eine umfängliche Überprüfung des Geländes auf Kampfmittel erforderlich. Daher werden jetzt die Vorbereitungen des künftigen Baufelds fortgesetzt, zu denen auch die Rodung des Geländes gehört.

Das neue Stadtquartier soll bunt werden. Die LVM schafft Wohnraum für Familien, Seniorinnen und Senioren, Single-Haushalte und Studierende. Darüber hinaus sind Kinderbetreuung, Gastronomie und Nahversorgung, sowie gemeinschaftlich nutzbare Quartierstreffs und Büros geplant. Vorgesehen ist, dass die Grünflächen im Quartier mehr als ein Drittel der Gesamtfläche ausmachen. Drei öffentliche Plätze mit vielen Sitzmöglichkeiten sowie grüne Innenhöfe bieten vielfältige Flächen mit hoher Aufenthaltsqualität. Darüber hinaus bereichern großzügig geplante Spielflächen für Kinder aller Altersklassen mit Sandkästen, Kletterbaum, Spielhügel, Trampolin und Multispielelementen die Lebensqualität im Quartier.

Die LVM strebt für das gesamte Stadtquartier eine Platin-Zertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) an. Das DGNB- System ist das umfassendste Zertifizierungssystem von Gebäuden und Stadtquartieren am Markt und Platin die höchste Auszeichnungsstufe mit den strengsten Qualitätsanforderungen u. a. an die CO2-Bilanz und die Energieeffizienz.

Dazu gehört auch ein modernes Mobilitätskonzept. Wer das Quartier mit dem Pkw erreichen möchte, wird direkt von der Weseler Straße und vom Kolde-Ring in eine Tiefgarage mit rund 500 Pkw-Stellplätzen geleitet. Innerhalb des neuen Quartiers soll es keinen motorisierten Verkehr geben.

Eine zusätzliche Fahrrad-Tiefgarage soll Platz für ca. 1.800 Fahrräder bieten. Ebenso ist ein Mobility-Hub im Stadtquartier mit Angeboten für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger – auch aus der Nachbarschaft – angedacht, wie z. B. ÖPNV-Serviceangebote, Infoboards mit Mobilitätsinfos, elektronische Fahrplaninfos, Carsharing, ein Lastenradverleih und eine Paketstation.

Gleichzeitig schickte der LVM ein paar Entwürfe über die mögliche Optik des Areals mit:

LVM-Projekt Pluggendorf: So könnte einer der drei öffentlichen Plätze im Quartier aussehen. Visualisierung: LVM Versicherung/moka-studio
LVM-Projekt Pluggendorf: So könnte einer der drei öffentlichen Plätze im Quartier aussehen. Visualisierung: LVM Versicherung/moka-studio

Gerade erst rückte das Areal wieder in den Fokus, weil in den „Westfälischen Nachrichten“ ein Text über mehrere Klagen erschienen war. Demnach hätten mehrere Anwohner diesen Schritt gewagt, nachdem u.a. das Thema Hochwasser/Überflutungsgefahr in den Fokus gerückt war.

Auslöser seien zwei widersprüchliche Schreiben gewesen, in denen es genau um dieses Thema gegangen sei. Die Stadt Münster hatte nämlich im April eine Starkregengefahrenkarten (SRGK) erstellt, auf der die Stellen im Stadtgebiet sichtbar werden, die bei extremen Wetterlagen einer erhöhten Gefahr durch „Überflutungsvorgänge“ unterliegen. In der Folge erhielten manche Bewohner der Stadt städtische Schreiben mit Anregungen, wie man dagegen bauliche Maßnahmen ergreifen könnte.

Einige der Empfänger wohnen im Bereich des LVM-Quartiers und waren nun offenbar überrascht – denn die Auskünfte im Bebauungsplanverfahren und auch die Stellungnahmen im Klageverfahren sahen eben diese Überflutungsgefahr nicht. Das sorgte offenbar für Irrititationen, wie im Text der „Westfälischen Nachrichten“ zu lesen war.

Stellungnahmen

Tatsächlich war das Thema Hochwasser/Starkregen im Zuge des Bebauungsplanverfahrens behandelt worden. Damals hatte die Stadt sämtliche Einwände für nicht relevant gehalten. In der Beschlussvorlage V/0572/2022 lässt sich das an verschiedenen Stellen nachlesen, u.a. heißt es dort: „Für die Ableitung des innerhalb des Plangebiets anfallenden Regenwassers und Schmutzwassers wurde im Verfahren ein Entwässerungskonzept erarbeitet. Für Starkregenereignisse wurde ein Überflutungsnachweis gemäß DIN 1986-100 für eine Jährlichkeit von T=30a (30-jähriges Regenereignis) geführt. Die Überflutungsnachweisflächen liegen in den Blockinnenbereichen mit teilweise oberflächiger Ableitung (Notwasserwege). Die Starkregenereigniskarte NRW zeigt für das Plangebiet eine geringe Überschwemmungs- wahrscheinlichkeit. Für die Flächen nördlich und westlich der Körnerstraße ist eine separate Ableitung des Schmutz- und Niederschlagswassers vorgesehen. Grundsätzlich ist geplant, die Grundsätze der Abflussvermeidung mittels Verdunstung und Versickerung zu verfolgen. Eine erhöhte Überflutungsgefahr aufgrund der Planung ist somit nicht zu erwarten.“

Auch der Einwand, dass die geplante Tiefgarage eine Versickerung von Regenwasser verhindern würde, wurde nicht akzeptiert: „Durch die zeichnerische Festsetzung der zulässigen Bereiche für Tiefgaragen wird sichergestellt, dass ein gewisser Anteil des Plangebiets weder über, noch unterbaut werden darf. Insgesamt werden die Verdichtung und die Versiegelung im Plangebiet auf ein der zentralen Lage entsprechendes städtebaulich vertretbares Maß begrenzt. Hinsichtlich der Niederschlagsentwässerung wurde im Rahmen des Verfahrens ein Entwässerungskonzept erstellt. Dieses beinhaltet eine Ri- golenversickerung in Form von Blockkästen in den Bereichen mit ausreichend Grundwasserab- stand unterhalb der Wege. Eine erhöhte Überflutungsgefahr wird dadurch unterbunden.“

Ein Blick auf die SRGK der Stadt deutet an, dass das künftig zu bebauende Areal tatsächlich eher eine geringe Überflutungsgefahr aufweist. Sehr wohl allerdings gilt dies für den Bereich Teichstraße/Hoppendamm sowie Teile der Offenbergstraße – bereits vor der Bebauung. Das war offenbar Anlass für das Anschreiben der Stadt an verschiedene Anwohner. Quintessenz ansonsten: Die Bebauung werde die Lage künftig nicht verschärfen. Nach dieser Logik wären also beide Schreiben kein Widerspruch.

Vorerst ist allerdings noch Warten angezeigt: Ehe Bagger auf dem Areal rollen, wird es noch ein wenig dauern.

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