Eigentlich sollte Ende 2025 die neue S-Bahn-Linie zwischen Münster und Sendenhorst in Betrieb gehen. Das Wort „eigentlich“ verrät, dass dieser Zeitplan nicht zu halten sein wird. Der zuständige Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) hat nun erklärt, dass es wohl erst in der zweiten Jahreshälfte 2026 klappen werde.
Man hätte es auch schon im Januar des Jahres ahnen können. Vor anderthalb Monaten schlug der NWL bereits Alarm. Zwar sei die Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs dank zusätzlicher Bundesmittel in 2023 gesichert. „Ob diese finanzielle Sicherheit auch für die Folgejahre ab 2024 gegeben ist, ist derzeit jedoch weiterhin unklar, da der NWL noch nicht weiß, welche Anteile dieser Mittel oder weiterer Entlastungspakete er tatsächlich erhalten wird“, teilte der NWL im Januar mit. Und: „Ohne weitere, zusätzliche Mittel können aber spätestens ab 2026 erneut nicht einmal die steigenden Kosten des bestehenden Angebots vollständig und dauerhaft finanziert werden – von einer Weiterentwicklung des SPNV in Westfalen-Lippe ganz zu schweigen.“
Genau diese Warnung betrifft letztlich auch die geplante Reaktivierung der WLE-Trasse zwischen Münster und Sendenhorst. Der NWL warnte vor Streckenstreichungen oder Reduzierungen der Takte. Da wirkt die Neueinrichtung einer Strecke eher unrealistisch.
Dessenungeachtet läuft die Planung für die neue Strecke, die Teil des Zukunftsprojekts S-Bahn Münsterland ist, weiter. Mehrere Haltepunkte entlang der Strecke müssen erneuert werden, teilweise überhaupt erst errichtet werden, so wie beispielsweise die Haltestellen am Cineplex oder der Loddenheide. Das alles sollte bis 2025 erledigt sein. Doch nun teilte die Stadt Münster mit, „dass ein zusätzlicher und nicht mehr kompensierbarer Planungsaufwand verantwortlich dafür sei, dass die Inbetriebnahme der WLE voraussichtlich erst in der zweiten Jahreshälfte 2026 erfolgen“ könne. Was genau damit gemeint ist, steht in der Mitteilung der Stadt nicht – sehr wohl aber beim Zweckverband NWL.
Dort heißt es konkreter: Um die neue Strecke an den Knotenpunkt Münster und dort an den Hauptbahnhof Münster anzuschließen, seien „umfangreiche Baumaßnahmen an der Leit- und Sicherungstechnik notwendig, u.a. am Zentralstellwerk Münster Hbf. und seiner Stromversorgung“. Es müssten insgesamt 25 neue Signale gebaut und angeschlossen werden, zudem auf 6 Kilometern Länge die Oberleitungen erneuert werden.
Und obendrauf kommt eine besondere Herausforderung: Künftig soll die S-Bahn an Gleis 20 halten. Das Gleis existiert, aber bisher weder ein Bahnsteig noch andere Anlagen. Trivial ist das nicht, denn das Gleis wird aktuell als Abstellanlage für andere Züge genutzt – und dafür braucht es ebenfalls Ersatz. Und Platz muss erst geschaffen werden am engen Hauptbahnhof. Erst dann ist auch Raum für den zusätzlichen Bahnsteig.
Der Zweckverband hat daher einen „aktualisierten Terminplan“ veröffentlicht, was letztlich nur ein anderes Wort für Verspätung ist. „DB und NWL gehen von einer Inbetriebnahme in der zweiten Jahreshälfte 2026 aus. Grund sind u.a. die aufwändigen Planungen für erforderliche Maßnahmen durch den perspektivischen Einsatz von lokal emissionsfreien, akkubetriebenen Zügen, der Mehraufwand durch die alte Technik der Leit- und Sicherungsanlagen und die herausfordernde Neutrassierung des Knotens Münster durch die neue Abstellanlage.“
Und weiter: „Der zusätzliche Planungsaufwand konnte von den beteiligten Ingenieurbüros und der DB aufgrund der knappen Planungskapazitäten, die ohnehin schon durch die Beseitigung der Flutschäden stark beansprucht waren, jetzt nicht mehr kompensiert werden. Allein die Umstellung auf Akku-Züge hat aufwändige Gutachten und Machbarkeitsstudien für die Energieversorgung des Münsteraner Hauptbahnhofes bedeutet. Weil bei der Erneuerung einzelner Komponenten der Leit- und Sicherungstechnik für die reaktivierte Strecke und deren Fortführung im Hauptbahnhof nach aktuellen Richtlinien die kompletten Anlagen ihren Bestandsschutz verlieren und ausgetauscht werden müssen, entsteht jetzt ein deutlich größerer Modernisierungsbedarf.“
Immerhin: Man wolle „mit Hochdruck“ daran arbeiten, die Infrastruktur schnellstmöglich zu bauen. Das ist auch Wunsch der Stadt, für die wiederum Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) eine gewisse Enttäuschung formuliert: „Gemeinsam mit Bürgermeisterin Reuscher und Landrat Dr. Gericke werden wir den Druck hochhalten, damit alle Projekt-partner ihre Aufgaben pünktlich erledigen. Die Kommunen halten die vereinbarten Zeitpläne ein. Das fordern wir auch von allen anderen Partnern.“
Ob angesichts der umfassenden Arbeiten das zweite Halbjahr 2026 realistisch ist, also eine Verzögerung von rund einem halben Jahr, muss aber zumindest hinterfragt werden.